Die Marias der Passion im Doppel-Interview

Wenn am Freitag, 4. August, nach fünf Jahren Pause die Perlesreuter Passionsspiele das Leben und Leiden Christi ins Szene setzen, haben zwei Frauen zentrale Hauptrollen: Die Gottesmutter Maria und Jesus‘ Gefährtin Maria Magdalena. Gespielt werden sie von Johanna Maier-Simmet (61) und Sandra Boxleiter (46). Wir haben uns mit den beiden über die Frauen(bilder) bei der Passion im Speziellen und in der Gesellschaft im Allgemeinen unterhalten.

Warum spielen Sie bei der Passion mit? Was reizt Sie an der Rolle?

Maier-Simmet: Ein Schauspielkollege aus dem Theaterverein Grafenau hat mich angesprochen, ob ich die Maria spielen könnte. Ich habe in den vergangenen Jahren hauptsächlich lustige Rollen gespielt, die Gottesmutter Maria ist schon etwas Besonderes.

Boxleitner: Die Rolle der Maria Magdalena ist sehr interessant und ich freue mich, diese spannende und starke Frau spielen zu dürfen. Es ist etwas Außergewöhnliches, mit so vielen Leuten auf der Bühne zu stehen. Das gibt es so nirgendwo anders.

Wie kamen Sie zum Theaterspielen?

Maier-Simmet: Die ersten Erfahrungen habe ich bereits im Kindergarten gemacht, danach in der Schule (Theater AG).

Heute würde ich als Mutter auf die Barrikaden gehen, dass mein Sohn nicht sterben muss!

Johanna Maier-Simmet / Gottesmutter Maria

Boxleitner:  Als ich meinen Mann Markus kennengelernt habe, haben wir zusammen die Gruppe acústico gegründet. Gleichzeitig war er damals in Spielleitung der Passionsspiele und –  wie immer – der Judas. Im festen Glauben an eine Statistenrolle ging ich mit zur ersten Probe. Danach war ich Maria Magdalena.

Wie sehen Sie die Rolle der Gottesmutter Maria und der Jesus-Gefährtin (oder Partnerin) Maria Magdalena in der Gesellschaft damals und was wäre heute anders?

Maier-Simmet: Damals: Die Gottesmutter hat die Situation „als von Gott gegeben“ hingenommen, schließlich sollte Jesus durch seinen Tod die Menschheit erlösen. Heute würde ich mit der Würde einer Mutter auf die Barrikaden gehen und alles unternehmen und alle mobilisieren, damit mein Sohn nicht sterben muss!

Man stelle sich in der jetzigen Zeit einen Mann vor, der sagt, er sei Gottes Sohn!

Sandra Boxleitner / Maria Magdalena

Boxleitner: Beide Frauen müssen sehr stark gewesen sein. Jesus hat sehr polarisiert. Er wurde von den einen vergöttert, von den anderen – und das war der weitaus größere Teil der Gesellschaft – verachtet und als Spinner ausgelacht. Mutter oder Partnerin so eines Mannes zu sein, stelle ich mir unendlich schwierig vor. Heute wäre das sicher auch nicht anders, oder sogar noch schlimmer: Man stelle sich in der jetzigen Zeit einen Mann vor, der sagt, er sei Gottes Sohn! 

Was ist die größte Herausforderung an Ihren Rollen und wie bereiten Sie sich darauf vor? 

Maier-Simmet: Der Gesang! Ich übe zu Hause am Klavier, spezielle Proben mit der Band.

Boxleitner: Ich singe oft vor vielen Menschen. Aber dabei sitze ich normalerweise auf einem Stuhl und habe meine Texte vor mir auf dem Notenständer. Bei der Passion sind die Lieder in Szenen eingebunden und ich muss neben dem Singen auch noch schauspielern. Da heißt es: Lernen, lernen, lernen.

Wie hat sich das Bild der Frau im Laufe Ihres Lebens gesellschaftlich verändert?

Maier-Simmet: Meine Großmutter und meine Mutter waren starke Persönlichkeiten.  Meine Mutter hatte schon immer Zugang zum gemeinsamen Bankkonto, während in den 1960er- und 70er-Jahren viele Mütter meiner Freundinnen noch das Haushaltsgeld vom Ehemann erhielten. Zu meiner Zeit war im Studium (Zahnmedizin) 40 % Frauenanteil, heute sind es bis zu 70. In meiner Kindheit waren die meisten Mütter Hausfrauen.  

Boxleitner: Früher dachte ich, es ist ein Klischee, dass Frauen einer Doppel- oder Dreifachbelastung ausgesetzt sind. Es ist aber leider Wirklichkeit. In meinem Umfeld gibt es viele Frauen, die sieben Tage die Woche von morgens bis abends arbeiten, zudem die Familie am Laufen halten und die oft trotzdem nicht mehr wissen, wie sie am Ende des Monats die Lebensmittel für die kommende Woche bezahlen sollen. Das ist eine katastrophale Entwicklung!

Was würden Sie sich wünschen, wie die Frau in zehn Jahren in der Gesellschaft wahrgenommen wird?

Maier-Simmet: Ganz klar: Es muss die gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit geben!

Boxleitner: Und es wäre mindestens genauso wünschenswert, dass Mütter, die sich wirklich um das Aufwachsen ihrer Kinder kümmern, gesellschaftlich und finanziell genauso wertgeschätzt werden wie berufstätige Frauen. 

Was machen Sie neben der Passion im Privatleben und beruflich?

Maier-Simmet: Ich wohne in Grafenau und bin selbständige Zahnärztin in einer Gemeinschaftspraxis. Ich bin im Musikverein Schlag seit 1969 an diversen Instrumenten tätig und Leiterin des Jugendorchesters. Seit 2020 sitze ich zudem für die Freien Wähler im Stadtrat Grafenau und im Kreistag. 

Boxleitner:  Ich bin Mutter eines 9-jährigen Sohnes und arbeite als Teilzeit-Angestellte in der Dreiflüsse Akademie. Darüber hinaus bin ich selbstständig in meiner Praxis für Bioenergetik und Vitalstoffberatung tätig.

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